Freitag, 15.05.2015 Thun – Wattenwil, ca. 22,8 km
Es geht morgens um 08.15 Uhr von zu Hause aus los Richtung Bahnhof Tuttlingen, den ich um 09.10 Uhr erreiche. Meine Kinder haben an diesem Brückentag frei, Jule ist schon auf und ich kann mich bei Ihr verabschieden. Jonathan schläft noch ;-) Der Zug fährt pünktlich um 09.28 Uhr, es regnet. Und so sollte es den ganzen Tag sein. Ich muss in Zürich umsteigen und steige versehentlich in die 1. Klasse. Der Schaffner macht mich dann blöd an, ich gehe halt dann 3 Waggons weiter in die zweite Klasse zum Pöbel mit meinem Rucksack. In Thun angekommen regnet es wie aus Kübeln, es gibt leichte weiße Schneeflocken im Regen. So richtig glaube ich das aber erst, als ich die Berge neben dem Thuner See sehe, die schneebedeckt sind. Viele Bilder mache ich nicht, mit dem Regencape ist das etwas umständlich.
In Amsoldingen besuche ich die schöne alte romanische Kirche gebaut um 700 n.Chr. Sie ist sehr hoch mit einem riesigen Altarraum, der viel höher gebaut ist als die Sitzbänke. Die Lieder von Christi Himmelfahrt (gestern) – auf schweizerisch heißt dieser Feiertag Auffahrt – sind noch aufgesteckt. Großer Gott wir loben dich, We shall overcome, Lasst uns den Weg der Gerechtigkeit gehen.
Auch in Wattenwil gehe ich in die Kirche, die moderner ist, schlicht und mit schönen Glasfenstern und schönen Bibelsprüchen. Am Ausgang gibt´s Kärtchen mit Bibelsprüchen, ich ziehe aus 1. Petrus 4, 10: „Dient einander, ein jeder mit seiner Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes“. Das passt wieder sehr gut zu mir, ich bin ja sehr aktiv in der evangelischen Posaunenchorarbeit. Danach geht der Weg steil nach oben, mein Navi auf dem Handy spinnt etwas, weil jeder Regentropfen als Touch wahrgenommen wird und das Display hin und herspringt. So entscheide ich mich für die nächste steile Straße, den „Bergliweg“. Echt knackig und steil, aber trotzdem goldrichtig. An der Wirtschaft „Alpenblick“ geht’s rechts vorbei und nach ca. 200-300 m an der Käserei links und da stehe ich schon vor dem „Hofmatt. Der Hof liegt zwar oberhalb von Wattenwil, das ist aber nicht schlimm, denn den Anstieg muss ich eh machen. Somit ist es kein Umweg auf dem via jacobi.
Der Sennhund begrüßt mich schon (kläff, kläff) und kurz danach kommt die Chefin. Ich bin der einzige Pilger, die Unterkunft ist ok aber saukalt. Die warme Dusche tut echt gut. Zu Essen gibt´s Nudeln mit Bolognesesoße und einen leckeren Salat. Die Chefin kocht seeehr reichlich, ich schaff nicht alles. Ich mache es mir später auf dem Sofa bequem und unterhalte mich mit Regina Künzi. Sie haben vor kurzem Ihre Kühe hergegeben, es lohnt sich nicht mehr so richtig, Übernachtung und Feierlichkeiten sind besser. Sie beklagt sich – wie überall – über die neue Regelung in der Tierhaltung. Wenn das so weitergeht, wird es in der Schweiz viel weniger Glockengeschell geben ;-( Sie macht mir noch den Gasofen an, so kann ich meine Schuhe und Socken trocknen, damit es morgen ohne Probleme weitergehen kann. Die Nacht ist besser als gedacht mit Schlafsack, Decke und 2 Wolldecken….
Samstag, 16.05.2015 Wattenwil – Heitenried, 26,8 km
Der Tag beginnt mit einem tollen und reichhaltigen Frühstück bei Familie Künzi. Es regnet heute noch nicht, die Sicht auf den Thunersee ist schon schön. Die Berge sind noch etwas in den Nebel gehüllt. Nach ca. 1 Stunde kommt die Sonne raus und ich ziehe meine Jacke aus. Die Sicht auf die schneebedeckten Berge ist herrlich, der Nebel hat sich mittlerweile verzogen. In Riggisberg nehme ich beim Kreisverkehr im Ort eine Abkürzung, gehe statt rechts links am Kreisverkehr vorbei. Trotz Wegweiser „Wanderweg“ bin ich falsch. Damit fällt Rueggisberg mit der Ruine aus. Kurz vor Wislisau übersehe ich die riesengroße gelbe Jakobsmuschel mit Pfeilrichtung links, die auf die Straße gemalt ist! Aber ein netter älterer Bauer hat mich gesehen und schickt mich wieder zurück (ca. 50 m) in Richtung Schwarzenburg. Nach einem kleinen Aufstieg durch den Wald stehe ich auf einer Hochebene, und plötzlich ist ein Gatter mit Yaks vor mir, und eins mit Lamas und Kamelen ;-)
Bis Schwarzenburg führt der Weg schön über Felder. Am Bahnhof von Schwarzenburg mache ich eine Rast. Am rechten Zeh zwickt es etwas, ich schaue aber nicht nach. Schade, bis zur Ankunft in Heitenried gibt´s eine fette Blase! Eigentlich sollte ich es ja wissen…. Nach Schwarzenburg gibt es stellenweise sehr gut erhaltene historische Wegstücke. Sieht super toll aus, erinnert mich aber an das Kopfsteinpflaster, das mir in Portugal enorme Probleme bereitet hat. Vor Heitenried steht eine schöne Jakobus-Kapelle.
Als ich an der Herberge ankomme, sind die Hospitaleros noch mit dem Garten beschäftigt. So gehe ich Proviant für den nächsten Tag kaufen, danach besichtige ich in die schöne Kirche. Wieder draußen, sehe ich vor mir tolle schneebedeckte Berge: Eiger, Mönch und Jungfrau. Es hat weder in Interlaken noch in Thun geklappt, diese tollen Berge zu sehen. Dafür heute! Man muss nur warten können im Leben.
Abends gibt es ein leckeres Essen mit Klaus und Frieda, die diese tolle Pilgerherberge liebevoll und privat finanziert führen. Dazu hat sich noch Jens gesellt, der in Romanshorn lebt (als Dütscher).
Sonntag, 17.05.2015 Heitenried – Kloster Hauterive, ca. 22,9 km
Nach einem ausgedehnten und leckeren Frühstück verabschiede ich mich herzlich von Klaus und Frieda. Das Wetter ist gut und die heutige Etappe hat ca. 23 km. In Tafers gibt es das Hühnerwunder in der Jakobskapelle neben der schönen Martinskirche zu betrachten. In der Kirche findet gerade der Gottesdienst statt und ich möchte nicht stören. Der Weg geht weiter über schöne Felder und Fluren. Irgendwo ist auch ein Kreuz, das die Sprachgrenze zwischen deutsch und französisch markiert. Dann geht´s schon runter nach Freiburg/Fribourg. Zwei Nonnen sprechen mich an und meinen, ich sehe noch frisch aus. Naja, in meinem Alter ;-) Freiburg erreiche ich über die Bernbrücke, eine alte überdachte Holzbrücke. Dazu muss ich erst nach unten in die Altstadt laufen, über die Bernbrücke rüber und dann wieder steil nach oben Richtung Kathedrale. Fribourg hat eine sehr schöne Altstadt mit vielen toll verkleideten Häusern. In der Hochzeitsgasse sieht man auf einem Schild die Hochzeiter von vorne mit einem tollen Spruch auf Französisch: „voici la rue des Epouses fideles et aussi le coin de Maris modeles“. Auf der anderen Seite allerdings steht auf Schweizerdeutsch: „Hüt! Freu di Hochzitter, du guete Ma. Morn hätt am End D´frau scho dini Hose a.“ Die Kathedrale ist dem hl. Nikolaus geweiht, sie gefällt mir wegen der schönen Fensterbilder. Hier soll tatsächlich eine Hand des hl. Nikolaus von Myra bestattet sein.
Mittagspause mache ich an der Kreuzung vor dem Rathaus. Ins Restaurant „Gothard“ bin ich trotz des Rates von Klaus nicht gegangen. Danach kaufe ich eine Kugel Stracciatella-Eis und schon bringt es mich sprachlich aus dem Gleichgewicht. Die Verkäuferin spricht kein Deutsch, ich nicht französisch. Aber am Ende habe ich doch das Eis erhalten. 4 Franken für eine Kugel sind für einen Deutschen aber ganz schön viel…
Die Stadt verlasse ich über den Bahnhof, bis ich zum Jakobskreuz komme. Das Kreuz hat eine bewegte Vergangenheit und wurde mehrmals hin- und herverpflanzt, steht jetzt wieder am Originalplatz. Nach St. Apollonie verwirrt mich der Weg etwas, in meinem Outdoor-Reiseführer geht der Weg über das Kloster Hauterive. Die Wegzeiger gehen aber geradeaus und nach Hauterive nach links. Da haben sie wohl was geändert, mein Outdoor ist ja auch von 2011! Also mache ich die 30 Minuten Umweg, ich habe ja vorher reserviert. Das Kloster ist schön an einer Saane-Schleife gelegen. Ich erkunde ein wenig die Umgebung, danach geht es um 17.15 Uhr zur Vesper. Nein, nicht schon zum Essen, sondern in den Gottesdienst. Die Mönchsgesänge sind sehr beruhigend und schön, aber ich verstehe kaum etwas, denn es ist natürlich alles auf Französisch. Beim Abendessen sind wir zu dritt, das französische Paar spricht weder deutsch noch englisch, und miteinander auch nicht. Das Sonntagabendessen ist dann tatsächlich ein Vesper, Brot mit Salami und Instandkaffee, Butter und Marmelade. Naja!
Mal schauen was die Nonnen morgen in Romont kochen ;-)
Montag, 18.05.2015 Hauterive – Romont, ca. 21,9 km
Morgens gibt es im Kloster ein einfaches Frühstück, zu den beiden schweigsamen Franzosen gesellt sich noch ein Mann, der aber auch nichts sagt. Nach dem Aufräumen bezahle ich meine 60 Franken (das ist zu teuer!), und wandere los. Heute soll ein schöner Tag werden. Der Weg führt abwechslungsreich durch den Wald, auf Feldwegen und durch kleine Städtchen. In Autigny kaufe ich eine belegte Seele und Kekse, 7 Franken, wow! Kurz nach dem Ortsausgang stehen an einem Haus 2 Stühle und ein Tisch sowie eine Tafel „Pilger-Stopp“. Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und mache hier meine Mittagspause. Das kleine Windspiel unterhält mich prächtig. Dann kommt ein kleines Mädchen, ich teile mit ihr ein Stückchen Schokolade. Ein Paar läuft ebenfalls vorbei sowie ein Franzose. Ich werde die drei heute Nachmittag im Kloster Abbaye de la Fille-Dieu wiedersehen. Ich komme im Kloster mittags um 14.00 Uhr an, es ist zu früh. So lasse ich meinen Rucksack im Innenhof stehen und mache mich auf den Weg nach Romont. Das ist eine wirklich schön gelegene Stadt auf einem Kegel, heute sogar mit Weitsicht auf die umliegenden Berner Berge auf der einen und die schneebedeckten Berge auf der anderen Seite. Die Kirche besuche ich nicht, es ist gerade eine Beerdigung. Ich traue mich, in einer Kneipe ein Radler (Panache) zu bestellen. Es klappt, Gott sei Dank spricht die Wirtin wenig mit ihrem einzigen Gast ;-) Danach gehe ich wieder runter, nicht ohne mir Proviant für morgen zu kaufen. Als ich ankomme, ist das Paar schon da. Ich werde zu Francis einquartiert, den ich ja schon in Autigny gesehen habe. Rachel & Co. kommen aus der französischen Schweiz, arbeiten aber in Zürich. Rachel war 2009 von Burgos auf dem camino frances unterwegs.
Francis kommt aus Interlaken und lebt in Lausanne. Es wird ein schönes Abendessen mit Suppe, Salat, Flammkuchen und einem Joghurt zum Nachtisch. Sogar eine Flasche Wein steht bereit, so lässt es sich leben und ist wesentlich besser als gestern im Männerkloster. Um 19.15 Uhr gehe ich in die Kirche zur Vesper. Die Nonnen singen mehrstimmig, allerdings merke ich, dass die Stimmung nicht ganz stimmt. Aber das tut der tollen Atmosphäre keinen Abbruch. Ab ins Bett zum Lesen und Einschlafen.
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